"Je größer und unübersichtlicher die Welt geworden ist, desto größer ist das Bedürfnis nach 'Beheimatung' geworden"
Norbert Lammert ist gebürtiger Bochumer. Er studierte Sozialwissenschaften und Neuere Geschichte an der Ruhr-Universität, wo er seit 2008 auch nebenberuflich als Honorarprofessor lehrt. Von 1980 bis 2017 saß er als Abgeordneter für die CDU im Bundestag, den er außerdem 12 Jahre lang als Bundestagspräsident leitete.
Sie kommen ursprünglich aus Bochum, waren durch Ihre Tätigkeit als Abgeordneter aber auch sehr an Berlin gebunden. Welche Beziehung haben Sie zur Stadt Bochum und wie hat diese sich möglicherweise auch mit der Zeit gewandelt?
Ich bin in Bochum geboren und aufgewachsen, habe am damaligen Staatlichen Gymnasium am Ostring Abitur gemacht, an der Ruhr-Universität Bochum studiert, in Bochum geheiratet und eine Familie gegründet und im Rat der Stadt Bochum meine politische Laufbahn begonnen. Auch in den fast vierzig Jahren meiner Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag, zunächst in Bonn dann in Berlin, ist Bochum mein Wahlkreis und selbstverständlich persönlicher Lebensmittelpunkt der Familie und des Freundeskreises geblieben.
Im Übrigen: Ob sich in den in den vergangenen 70 Jahren die Stadt oder ich mich mehr verändert haben, mögen andere beurteilen.
Sie haben auch an der Ruhr-Universität studiert und haben dort sogar eine Dissertation geschrieben. Wie war das damals?
Wie bei vielen tausend anderen Studenten auch: es gibt gemütlichere Hochschulen, aber nur wenig bessere.
Warum haben Sie sich damals für die Politik entschieden?
Mit dem Studium der Sozialwissenschaften habe ich das frühe Interesse an Politik zum Beruf gemacht. Dass es nach der Hochschule in den Bundestag und zu einer lebenslangen politischen Laufbahn geführt habe, war damals nicht absehbar und stand im Übrigen alle vier Jahre bei Wahlen erneut zur Disposition.
Was bedeutet für Sie Heimat?
„Heimat ist kein Ort, Heimat ist ein Gefühl“ (Herbert Grönemeyer). Heimat ist vertraute Umgebung – von Menschen, Räumen, Büchern. Heimat ist der Luxus, weder erklären zu müssen, wer man ist, noch warum man gerade hier ist.
Heimat ist ein Begriff, der gerade im politischen Kontext sehr ideologisch aufgeladen ist. Warum wird die Debatte um den Begriff Heimat so emotional geführt?
Der Begriff „Heimat“ war lange Zeit politisch tabuisiert, mit dem Verdacht des Gestrigen, Rückwärtsgewandten, Altmodischen oder Reaktionären belastet. Je größer und unübersichtlicher die Welt geworden ist, desto größer ist das Bedürfnis nach „Beheimatung“ geworden, nach einem Platz auf der Welt, an dem man Zuhause ist.
Was kann man unternehmen, um eine Instrumentalisierung des Heimatbegriffs zu verhindern bzw. sollte man überhaupt etwas diesbezüglich unternehmen?
Das ist ein ebenso rationaler wie emotionaler Vorgang, gegen den auch politisch kein Kraut gewachsen ist.
Das Interview wurde schriftlich geführt.
Foto: Tobias Koch